Für manche Menschen ist Leistung ein anderes Wort für Ausbeutung und demzufolge niemals fair. Aber schließt das eine das andere tatsächlich aus?
Leistung fordern ist unfair! Betrachten wir aber einmal die Kehrseite – nämlich keine Leistung zu fordern. Das ist unfair! Warum? Wenn wir von Mitarbeitenden nichts oder zu wenig fordern, geht das meistens zu Lasten derer, die aus hoher Eigenmotivation gerne produktiv sind und Freude am Tun haben. Denn die Wertschöpfung im Unternehmen muss erbracht werden, sonst kann es nicht existieren. Doch auch die leistungsbereitesten und motiviertesten Menschen stolpern irgendwann darüber, dass sie den Eindruck haben, viel für die anderen zu kompensieren. Dann kommt das Gefühl auf, dass es bei aller Unterschiedlichkeit nicht mehr fair zugeht – und das resultiert häufig in echtem Frust.
Fordern ist nicht nur fair, sondern ethisch
Leistung – dieses Wort wirkt auf manche Menschen wie ein rotes Tuch auf einen angestachelten Stier. Man darf „Coaching“ sagen, man darf „Weiterentwicklung“ sagen, aber „Leistung fordern“? Die Leistung, die Mitarbeitende bringen, soll intrinsisch motiviert sein, quasi aus den Mitarbeitenden von ganz allein herausströmen, man darf sie ihnen doch nicht abverlangen! Ist „Fordern“ nicht von gestern?
Eigentlich ist die Antwort hierauf ganz einfach: Wenn man von seinem Gegenüber etwas fordert, tut man ihm oder ihr etwas Gutes. Wer nicht gefordert wird, leidet irgendwann unter Unterforderung und unter Langeweile und fühlt sich schließlich nicht mehr wertgeschätzt. Wir tun dem einzelnen Menschen im Unternehmen nichts Gutes, wenn wir ihn oder sie nicht fordern, weil wir weder das Potenzial abrufen noch die Person ermutigen, über sich hinauszuwachsen.
Menschen wollen sich entwickeln
Es ist nicht gerecht, wenn man Talente und Stärken einfach so verkümmern lässt und nichts aus ihnen macht. Menschen haben Stärken, um sie zu entfalten. Das entdeckten schon die griechischen Philosophen, und die moderne Psychologie weiß es erst recht: Wir kommen nicht als fertige Wesen oder entwickelte Persönlichkeiten auf die Welt. Jeder Mensch muss sich entfalten, und wer das nicht tut, fällt zurück. Von Menschen zu fordern, ist also ethisch, denn es wird dem tiefsten Inneren des Menschen gerecht. Menschen wollen und sollen sich entwickeln und dazu brauchen sie manchmal Ansporn und Ermutigung. Wem es egal ist, ob seine Mitmenschen etwas aus sich machen oder nicht, macht sich schuldig an ihnen.
Biete Sinn, fordere Leistung
Entscheidend in Sachen Leistung ist: Die Organisation oder eine Führungskraft kann nicht einseitig Leistung fordern. Sie muss im Gegenzug dafür auch etwas bieten. Und damit ist nicht alleine Bezahlung, Urlaubstage oder ein Job-Ticket gemeint, sondern etwas viel Bedeutsameres: Ein Unternehmen muss seinen Mitarbeitenden Sinn bieten. Erst dann kann es auch Leistung fordern. Erst dann ist es fair, dass es Leistung fordert. Sinn finden Mitarbeitende in ihrer Tätigkeit dann, wenn sie einen klaren Auftrag und ein Gefühl von Wirksamkeit durch unternehmerischen Erfolg erhalten. Deshalb braucht es das Gefühl und die Überzeugung, dass das, was wir tagtäglich tun, einen Sinn hat und Wertschöpfung erbringt – oder anders gesagt: Die von mir geforderte Leistung wird tatsächlich gebraucht und erzeugt Resultate, an denen ich aktiv beteiligt bin. Ist das der Fall, so ist jedem Mitarbeitenden klar, dass es nur fair ist, Leistung von ihm zu fordern und ihm etwas zuzutrauen. Denn dies macht deutlich: „Es ist nicht egal, was du täglich machst, sondern wichtig und wertvoll.“
Deshalb ist es sinnvoll, Leistung zu fordern und auch sichtbar (messbar) zu machen: Es erfüllt diejenigen, die die Leistung erbringen, mit Stolz und Genugtuung, wenn sie sehen, was sie erreicht haben. Wichtig ist hierbei, dass die Ziele für alle transparent sind. Für Mitarbeitende bedeutet es eine immense Sicherheit, zu wissen, was von ihnen verlangt wird. Es sollte regelmäßig Gespräche zu den Zielen und zur persönlichen Entwicklung geben. Was dadurch entsteht, ist Stolz – und Selbstbewusstsein. Stolz auf das, was sie erreicht haben, was wiederum bei den meisten Menschen bewirken wird, dass sie erpicht darauf sind, noch mehr zu leisten und zu erreichen. Darauf zu verzichten, wäre schädlich für das Unternehmen. Und unfair gegenüber den Mitarbeitenden.
