Empathie heißt nicht, samariterhaft mitzuleiden. Es meint vielmehr die Fähigkeit, differenziert die Perspektive des anderen erfassen zu können. Wann ist Empathie hinderlich und wann ermöglicht sie eine wirksame Zusammenarbeit?
Gerade in einer komplexen Welt braucht es Menschen, die sich einfühlen können, ohne sich selbst zu verlieren.
Das empathische Gehirn
Empathie ist eine neuronal verankerte Fähigkeit, die uns zu dem macht, was wir sind: Soziale Wesen. Bei empathischen Menschen empfindet das Gehirn mit: Wenn unser Gegenüber Schmerzen verspürt, aktiviert sich im Gehirn der gleiche Bereich wie bei eigenem Schmerz, wenn wir uns mitfreuen, springt unser Belohnungssystem an – als wäre es unser Glück. Möglich machen das die sogenannten Spiegelneuronen.
Diese Neuronen sind das Fundament für echte Verbindung. Empathie sorgt für tiefe, menschliche, heilende Beziehungen. Sie ist der Kitt unseres Miteinanders in Beziehungen privat sowie im Arbeitsleben. Und je bewusster wir sie einsetzen, etwa durch aktives Zuhören, desto mehr tragen wir zu einem vertrauensvollen Zusammenleben bei. Das gilt nicht nur im Privaten, sondern auch im Arbeitskontext. Empathie und damit die Art, wie wir einander begegnen, verändert, wie wir führen, wie gut wir zusammenarbeiten und wie erfolgreich unsere Kundenbeziehungen sind.
Aber Achtung – der Unterschied zu Sympathie (nahe Verbundenheit zum Gegenüber, Geschehenes berührt einen ähnlich) gegen Empathie (Einfühlungsvermögen, bzw. aus der Perspektive des anderen betrachten zu können).
Evolutionsfaktor Empathie
Forscher haben sich das Phänomen der Empathie genauer angeschaut und dabei erstaunliche Resultate erhalten: Die Empathie hat sich nämlich – genauso wie die Intelligenz – während der Evolution weiterentwickelt. Empathie ist schlichtweg aus der Notwendigkeit von Kooperationen entstanden, weil sie Überlebensvorteile bringt, damals wie heute.
Menschen haben also Methoden entwickelt, um mit den anderen im Gleichklang zu sein oder für Menschen zu sorgen, die in Not geraten sind. Biologisch gesehen, lernen unsere Spiegelneuronen im Laufe unseres Lebens, die Handlungen anderer zu deuten und damit zu decodieren.
Durch immer komplexere Erfahrungen und die Auseinandersetzung damit können wir unsere Ur-Anteilnahme dahin entwickeln, dass wir die Perspektive des anderen einnehmen können und somit gezielt darauf eingehen.
Ohne Ich-Gefühl kein Mitgefühl
Aber Empathie ist kein Selbstläufer, denn ob unsere Ur-Anteilnahme zu differenzierter Empathie reift, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab; dazu gehören Erlebnisse in unserer Kindheit und Jugend sowie die Kultur, in der wir aufwachsen. Schließlich sind und bleiben wir Menschen „Gruppentiere“, die nicht für sich alleine überleben können und den Austausch mit anderen benötigen. Eine entscheidende Voraussetzung für Empathie ist die Ausbildung des Selbst – klingt widersprüchlich, ist aber essenziell. Warum? Die Antwort ist simpel: Ohne Ich-Gefühl kein Mitgefühl!
Nur wenn wir uns selbst wahrnehmen, können wir uns in Zusammenhängen erkennen und auf andere eingehen. Die Verknüpfungen im Gehirn werden durch das Alltags-Training biologisch weiterentwickelt, die sozialen Bindungen verstärken sich und die eigene Emotionalität wird zugänglicher.
Auch im weiteren Leben kann Empathie – wie ein Muskel – trainiert werden, indem wir uns beispielsweise für die Befindlichkeit und Emotion des anderen interessieren und sie begreifen wollen.
Die Verbindung von Empathie und Stress
Empathie ist dabei stark abhängig von Stress und Zeitdruck. Denken wir an die Situation, wie einer Frau eine Einkaufstüte reißt. Sind wir unter Zeitdruck, setzen wir darauf, dass ihr eine andere Person schon hilft. Haben wir Zeit, helfen wir selbst gerne, ohne zu zögern. Interessanterweise wurde herausgefunden, dass Menschen mit ausgeprägter Empathie andersherum weniger Stresssymptome zeigen. Wie kann das sein? Studien zeigen, dass Empathie dazu führt, dass andere Menschen sich uns gegenüber in vermeintlich verzwickten Situationen kooperativer verhalten. Somit profitieren wir von unserer eigenen Empathie und tun uns selbst etwas Gutes, weil wir dafür sorgen, dass wir seltener als andere mit sozialen Verstimmungen und abwehrender Emotionalität konfrontiert werden. Empathie ist somit der „Schmierstoff“ für Kommunikation und Zusammenarbeit.
Zu viel des Guten
Empathie hat ihre Grenzen bzw. kann hinderlich werden, wenn wir eine Überfürsorge für andere Menschen entwickeln und ihnen nicht die eigene Verantwortung lassen. Wenn wir glauben, sie mit Kritik schonen zu müssen, die für ihre weitere Entwicklung aber wichtig wäre, enthalten wir ihnen diese unterstützende Rückmeldung vor und sie können nicht daran wachsen.
Wenn wir Aufgaben nicht vergeben, weil wir annehmen, es wäre zu viel und zu anspruchsvoll für die Person, fühlt diese sich gegebenenfalls ausgebremst und „klein gehalten“ – vor allem dann, wenn all das ohne einen Dialog passiert. Eine derartige „gefühlte Bevormundung“ ist dann zwar gut gemeint, aber in der Wirkung nicht gut gemacht, weil die Augenhöhe verloren geht und das Gegenüber sich von Entscheidungen ausgeschlossen fühlt, die es aber betreffen.
So sorgt Empathie für eine wirksame Zusammenarbeit
Empathie im richtigen Maß bedeutet, die eigenen Gefühle als Hinweise wahrzunehmen und zu schätzen, die von der eigenen Befindlichkeit beeinflusst und damit „überprüfenswert“ sind. So entwickeln wir ein immer stimmigeres Gefühl dafür, wie wir mit anderen Menschen in unterschiedlichen Situationen interagieren können. Das richtige Maß an Empathie ermöglicht damit wirksame Zusammenarbeit – weil Menschen gemeinsam mehr erreichen, als dem Einzelnen möglich wäre.