Die Re-Start-Herausforderung
Der Ausnahmezustand hat uns dazu gebracht, vieles anders zu gestalten, zu improvisieren und Neues auszuprobieren. Aufgrund der besonderen Situation wurden schnelle, pragmatische Lösungen gefunden, für die die Kreativität aller Mitarbeitenden gefragt war. Es wurden die Stärken aller angezapft. In der Folge waren Hierarchien flexibler und Entscheidungsprozesse haben sich angepasst. Mitarbeitenden wurde in dieser besonderen Situation – manchmal bewusst, manchmal unbewusst – mehr Gestaltungsspielraum gelassen. Die vermehrte Verantwortung hat zu Entwicklung geführt – bei den Menschen und dadurch im gesamten Unternehmen.
Doch die Krise ist noch nicht vorbei, finanziell fängt der Kampf für viele Unternehmen gerade erst an. Beim Re-Start müssen wir die Chance nutzen und auf das setzen, was unserem langfristigen Erfolg nutzt.
Was ist passiert?
Filialleiter und Auszubildende im Handel haben in Abwesenheit der Stammbesetzung ganze Filialen umgeräumt und pragmatische Lösungen für die Umsetzung der Hygieneregeln gefunden. Manager haben sich ins Auto gesetzt und Mundschutz-Masken an verschiedenen Standorten an Mitarbeitende verteilt – weil es nützlich war.
Bei Sortimenten wurde pragmatisch entschieden: Bestellungen wurden storniert, weil Kunden die Saisonware nach dem Re-Start nicht mehr brauchen werden. Und diese Optimierungsarbeit geht weiter: Wo können wir Bestände reduzieren, um Liquidität freizusetzen? In welchen Segmenten reichen unsere Lagerbestände für die nächste Saison? Wo können wir die Zielgenauigkeit unseres Angebots noch weiter schärfen, um Kundenbedürfnisse effizient zu erfüllen?
Die Kommunikation wurde schnell digital und neue Kanäle wurden widerstandslos eingeführt. Videonachrichten der Inhaber schaffen Nähe und stärken das Wir-Gefühl in Zeiten von Kurzarbeit und Unsicherheit. Die Trägheit der Organisation und individuelle Vorbehalte sind durch den Krisenmodus ausgesetzt. Stattdessen beobachten wir, dass Mitarbeitende zu Höchstleistung auflaufen und die Motivation steigt – alle ziehen am gleichen Strang.
Wie kann das sein? In einer Zeit ohne Bonuserfolge und Team-Incentives? Die Zusammenarbeit hat sich verändert. Oftmals haben Führungskräfte ihren Mitarbeitenden mehr zugetraut. Sie haben vieles nicht in gewohnter Weise kontrollieren können. Die Kommunikation untereinander, die Organisation und Entscheidungsfindungen wurden schneller und pragmatischer. Es wurde zügig gehandelt und weniger verkompliziert. Und das ist eine gesunde Entwicklung, die viele Unternehmungen retten kann.
Wie gestalten wir den Re-Start?
In der Anpassung an die neue Situation ist es nun entscheidend, zu erkennen welche Strukturen, Gewohnheiten, Verantwortlichkeiten und Kontrollmechanismen noch erfolgreich sind und welche nicht. Dabei ist Verlernen manchmal fast wichtiger als Lernen. Durch den Mut etwas wegzulassen, werden Ressourcen frei, um die Wege zu gehen die zur Wertschöpfung führen.
Am besten laden wir unsere Mitarbeitenden dazu ein, zusammen unsere Erlebnisse zu reflektieren und stellen uns gemeinsam folgende Fragen:
- Was konkret haben wir anders gemacht? Was davon hat uns weitergebracht?
- Was von dem „Alten“ ist nützlich, so dass wir es bewahren wollen?
- Was können wir weglassen, weil es überflüssig ist? Brauchen wir stattdessen etwas anderes?
- Wie gelingt es uns, nicht wieder in den alten Trott zurückzufallen, sondern neu geschaffene Lösungen weiterzuführen und weiterzuentwickeln?
Dieser intensive Austausch in den Teams wird uns Erkenntnisse bringen, aus denen wir unsere nächsten Schritte aus der Krise ableiten können. Dabei ist wichtig, dass wir den Menschen, die mit uns diese Situation meistern, vertrauen und ihnen Verantwortung geben.
Was Wert schöpft
Wir sollten alle unsere Prozesse kritisch betrachten: Was ist wirklich relevant für unseren Kunden? Was bringt Wertschöpfung? Und was ist „Beschäftigung“ – ohne einen wirklichen Nutzen für den Kunden?
Wir beobachten, dass in Unternehmen Abläufe und Prozesse oft immer komplizierter werden. Wir meinen es gut mit internen Standards und professionell aufgesetzten Systemen, sichern uns durch Regeln und Kontrollpunkte vermeintlich ab. Doch das geht immer auf Kosten des Ertrags. Der wirksamere Weg ist: Weglassen, was keine Wertschöpfung bringt! Auf diese Weise können wir unsere Sortimente kritisch analysieren: Wer ist unsere Zielgruppe? Was ist unseren Kunden wirklich wichtig? Welche Artikel brauchen wir? Wovon haben wir zu viel?
Es geht darum, dass wir unsere Kernleistung herausarbeiten und unsere Sortimente gezielter ausfeilen und verschlanken. Qualität statt Quantität. Denn das reduziert unsere Kosten. Unnötig hohe Bestände und damit Reduzierungen fallen so weg.
Individuelle Ziele und Team-Ziele sind ein weiterer Stolperstein, den wir uns oft selbst geschaffen haben. Wenn die Bonuszahlung eines Verkäufers von detaillierten Messwerten abhängt wie Durchschnitts-Bon, Teile pro Bon und individuelle Umsatzzielerreichung in der Filiale, so wird das Verhalten des Mitarbeitenden dadurch gelenkt – ohne dabei zwangsweise die Wertschöpfung zu optimieren. Denn das verleitet den Mitarbeitenden dazu, eindimensional zu denken – insbesondere wenn unser Unternehmen längst Omni-Channel aufgestellt ist. Wer im Team möchte stundenlang die Click & Collect-Ware zusammensuchen, statt seine stationären Umsatzziele zu erreichen? Im Omni-Channel-Umfeld sind übliche Bonusziele oft kontraproduktiv. Die Definition neuer individueller Ziele würde aber wiederum viele interne Ressourcen kosten und die Komplexität noch weiter erhöhen. Die Chance steckt vielmehr darin, bei den Mitarbeitenden unternehmerisches Denken zu fördern, indem wir uns „die Beute teilen“ und die individuelle Vergütung am Gesamterfolg des Unternehmens orientieren.
Eins ist in diesen unsicheren Zeiten sicher: Wir können nicht einfach auf „Start“ zurückgehen. Was wir jetzt wirklich beeinflussen müssen, ist die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, indem wir auf möglichst einfache Weise echten Kundennutzen erbringen. Das Kriterium ist: Was schafft Wert? Denn das ist Erfolg – und damit Sicherheit für das Unternehmen und die Menschen, die mit ihm verbunden sind.
Wir von Schüller& begleiten Sie gerne bei der Analyse Ihrer Erkenntnisse aus der Krise und beraten Sie, wie Sie diese für eine erfolgreiche Zukunft nutzen können!