Kommunikation als Waffe – oder Brücke?
Was ist eigentlich diese häufig zitierte Gewaltfreie Kommunikation, kurz GfK? Und gibt es dabei einen Unterschied zur achtsamen Kommunikation? Gewaltfreie Kommunikation beschreibt die persönliche Haltung des Kommunizierenden, die das Ziel hat, die Autonomie des Gegenübers auf Augenhöhe zu wahren. Soweit so gut, doch eine zu strenge Umsetzung kann zu einer wenig authentischen Sprache führen, wenn nur noch darauf geachtet wird, ob die Regeln eingehalten werden und jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird.
Achtsame Kommunikation hat das Ziel, die eigene Sprache zu reflektieren
Ausschlaggebend sind nicht Ge- und Verbote in der Sprache, sondern bewusst wahrzunehmen, welche eigenen Sprachmuster wir nutzen, die von anderen unter Umständen mit wenig Augenhöhe erlebt werden. Wir verwenden nämlich viele Redewendungen schlicht aus der Gewohnheit heraus, ohne deren Wirkung auch nur im Entferntesten zu realisieren oder beabsichtigen. Werfen wir darauf mal einen genaueren Blick:
Bewertung versus Beobachtung
Bewertungen passieren uns und das ständig. Es ist schlichtweg „normal“, dass wir unsere Welt interpretieren und für uns definieren, was wir gut oder schlecht finden. Entscheidend ist nur, dass wir unsere Bewertung nicht mit einer Beobachtung verwechseln.
Eine Beobachtung beschreibt, was konkret sichtbar oder erlebbar ist bzw. war. Dabei geht es tatsächlich um das, was objektiv wahrgenommen werden kann – ohne Raum für persönliche Interpretationen.
Hier ein Beispiel aus unserem Berater-Alltag: Im Assessment-Center bei der Bewerber-Auswahl fokussieren wir uns bewusst auf das Wahrgenommene wie „Die Bewerberin stellte im kritischen Gespräch wenig Fragen, um die Sichtweise ihrer Gesprächspartnerin zu erfragen.“ Eine Interpretation hingegen wäre hierbei „Die Bewerberin war an der Sichtweise ihrer Gesprächspartnerin desinteressiert.“, weil wir damit eine subjektive Bewertung und auch Unterstellung äußern würden.
Selbstverständlich haben wir das Recht, Situationen und Dinge subjektiv zu bewerten – entscheidend ist nur, sie nicht als objektive Wahrheit darzustellen und somit achtsam zu kommunizieren.
Gefühle versus Pseudo-Gefühle
Ähnliches erleben wir bei der Äußerung unserer Gefühle. „Ich bin wütend oder verärgert“ – die echten Gefühle wie Wut, Trauer, Verletzung, Freude, Angst etc. beschreiben sehr pur unsere emotionale Situation.
Wir Menschen neigen aber dazu, diese Emotionen mit Pseudo-Gefühlen zu verwechseln, die eine versteckte Bewertung oder Beurteilung sind – wie beispielsweise die Äußerung: „Ich wurde zurückgesetzt und übergangen.“ Diese hat nämlich die Interpretation im Gepäck, dass der andere eine konkrete (und negative) Absicht hatte.
Achtsam im Umgang mit unseren Gefühlen zu sein, bedeutet somit, das Gefühl und die interpretierte Ansicht zu akzeptieren.
Die Äußerung des eigenen Pseudo-Gefühls kann für den anderen ein klarer Anhaltspunkt sein, was sein Tun bei mir ausgelöst hat, es gilt nur, ihm auch die Chance zu geben, sich zu dieser subjektiven Interpretation zu positionieren. Denn das wiederum bietet die Möglichkeit der Klärung.
Bedürfnis versus Strategie
Unseren Handlungen liegen in der Regel den identischen Grundbedürfnissen wie Freiheit, Verbindung, Wertschätzung etc. zugrunde. Das, was uns unterscheidet, ist jedoch die Strategie, wie wir diese Bedürfnisse befriedigen. Genau das ist oft der Auslöser für Konflikte, weil wir uns darauf fokussieren, die kommunizierte Strategie zu diskutieren, statt das dahinterliegende Bedürfnis zu reflektieren.
Ein Beispiel: Teammitglied A sagt: „Ich will meine Home-Office-Tage jede Woche flexibel entscheiden und mich nicht festlegen.“ Teammitglied B sagt: „Ich will einen festen Monats-Plan, an den sich alle verbindlich halten müssen.“
Ein vorprogrammierter Konflikt, der wenig lösbar scheint? Die Lösung kann im achtsamen Hinterfragen des gemeinsamen Bedürfnisses liegen! Wenn bei beiden dahinter das Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Qualität liegt, so liegt die Differenz „nur“ in der Strategie, diese zu erreichen.
Teammitglied A organisiert sich anders und will je nach Art der anstehenden Arbeit genauso verlässlich und produktiv tätig sein wie Teammitglied B – das wiederum nur von seiner Arbeitsweise anders agiert. Wenn diese Motive tiefer beleuchtet werden, ist eine Lösung, bei der beide Bedürfnisse befriedigt werden, deutlich greifbarer.
Bitte versus Forderung
Eine echte Bitte zeichnet sich dadurch aus, dass die Selbstbestimmung des Gegenübers gewahrt wird und ein Nein akzeptiert wird. Darin ist auch eine gewisse Flexibilität hinsichtlich des Wegs bzw. der Strategie enthalten – es gibt also Verhandlungsspielraum.
Die Forderung hingegen benennt klar, was konkret erwartet wird – ohne Verhandlungsspielraum oder die Akzeptanz eines Neins. Achtsam zu kommunizieren, bedeutet in diesem Fall, dass wir reflektieren, ob wir eine Bitte haben, bei der wir ein Nein akzeptieren würden oder ob wir eine Forderung an unser Gegenüber haben, die ein Nein ausschließt. Es ist manchmal völlig legitim und angemessen, Forderungen zu stellen, wichtig ist nur, sie dann nicht als Bitte zu „verkleiden“.
Fazit: Achtsame Kommunikation bedeutet nicht, sich immer einwandfrei, korrekt und vorbildlich auszudrücken oder dies vom Gegenüber zu fordern – das wäre unmenschlich und wenig authentisch. Es bedeutet vielmehr, sich selbst immer mal wieder genau und kritisch selbst zuzuhören und dabei dem ein oder anderen Muster auf die Schliche zu kommen, das zum ungewollten Stolperstein im Miteinander werden kann.