Was verbirgt sich hinter dem Eisberg-Modell?
In Kürze: Unser bewusstes Verhalten ist nur die Spitze des Eisbergs. Unterhalb der Wasseroberfläche gibt es viele emotionale Aspekte und unbewusste Faktoren wie Erfahrungen oder Verletzungen, Prägungen, Muster, Erlebnisse, Bedürfnisse und Werte etc., die unser Verhalten und die Kommunikation untereinander steuern und beeinflussen. Das macht unser Miteinander komplex.
Was passiert dabei im Gehirn?
Die überwiegend unbewusste Verarbeitung eines Großteils der im Gehirn eintreffenden Informationen hat einen einfachen Grund: Stoffwechselenergie sparen. Das Gehirn verbraucht bei einem Anteil von 2 % an der gesamten Körpermasse etwa 25 % des Energiegrundumsatzes. Damit ist es ein enormer Energiefresser.
Von der dem Gehirn zu Verfügung stehenden Energie verbraucht die Aufrechterhaltung von Bewusstsein und gerichteter Aufmerksamkeit mehr als 50 %. Damit wird deutlich, dass dem Gehirn für eine höhere Spitze des Eisbergs schlicht und ergreifend die Energie fehlen würde.
Kompensiert wird das Ganze durch eine Art Autopilot, der auf Gelerntes und Erfahrungen zurückgreift. Er ermöglicht in allen normalen Lebenssituationen, aber auch bei Gefahr wesentlich schnellere Reaktionen als das bewusste Nachdenken.
Grundsätzlich sind nur die sogenannten assoziativen Areale der Großhirnrinde bewusstseinsfähig. Alle anderen Teile der Großhirnrinde, einschließlich der primären Seh- und Hörrinde sowie alle subcortikalen Strukturen sind grundsätzlich nicht bewusstseinsfähig. Was heißt das? Impulse dieser Strukturen, wie z.B. die Summe unserer negativen und positiven Erfahrungen, müssen erst über den Thalamus in die assoziativen Areale des Neocortex aufsteigen, um uns bewusst zu werden. Bildlich besprochen: Da der Neocortex nur zwischen 2 und 5 mm dick ist, ragt im Sinne des Eiberg-Modells die Spitze des Eisbergs nur bis zu 5 mm aus dem Wasser.
Dennoch haben diese Strukturen, über die wir mögliche Handlungen mit unbewussten emotionalen Bewertungen versehen, erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmungen, unser Denken und Fühlen – und damit auf unser aktives Verhalten und unsere Reaktionen auf das Verhalten anderer.
Was bedeutet das für die Kommunikation untereinander?
Oftmals liegen die Kollisionspunkte zwischen zwei Kommunikationspartnern nicht auf der bewussten Ebene, sondern auf der Ebene der unbewussten Emotionen, Prägungen, Muster, Erfahrungen oder Verletzungen, Erlebnisse, Bedürfnisse, Werte etc. Diese sind für uns selbst, aber noch mehr für unsere Gesprächspartner eine „Blackbox“.
So hat unser Autopilot bereits auf Abwehr und Verteidigung geschaltet, bevor wir mit unserem langsamen, kognitiven Denken analysieren konnten, ob an der kritischen Rückmeldung des Kollegen vielleicht doch etwas Wahres dran ist. Aber bei dem Oberlehrer-Ton schalten wir sofort auf Durchzug. Denn das hat sich schließlich früher bewährt, als der Großvater ständig kritisiert hat.
Oder wir „meckern“ zu Hause los, weil der Partner oder die Partnerin schon wieder die sortierte Ablage von unbearbeiteten Schriftstücken durcheinandergebracht hat. Wir sind genervt, denn es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass das passiert. Dann bezieht sich unser „Meckern“ nicht nur auf die aktuelle Situation, sondern unser Reaktionsmuster, d.h. unser Autopilot springt an – denn er weiß aus Erfahrung, wie er in solchen Situationen zu reagieren hat.
Für das Gelingen von Kommunikation ist es entscheidend, sich diese unbewussten Aspekte bewusst zu machen, um Störungen im Miteinander zu vermeiden. Wenn wir also merken oder auch die Rückmeldung bekommen, dass wir in einer Situation unangemessen reagiert haben, liegen dem oftmals unbewusste Reaktionsmuster und Autopiloten zugrunde.
Es lohnt sich, über diese nachzudenken und zu analysieren, wo sie ihren Ursprung haben. Dann können wir uns darauf konzentrieren, in einer Folgesituation schneller zu sein als unser Autopilot: Und uns bewusst so verhalten, wie wir es möchten. Durch regelmäßige Wiederholung können wir unsere Reaktionsmuster verändern und so unseren Autopiloten umprogrammieren.