Seit Jahren singen Buchautoren, Redner und Berater ein Loblied auf die gute Laune. Glücklichsein macht erfolgreich und Glücklichsein ist machbar – so ihre Lehre. Doch jetzt treten immer mehr Kritiker auf den Plan, die warnen: Das Streben nach dem Glück blockiert bloß. Wer auch mal seiner miesen Laune nachgibt, ist letztlich erfolgreicher als der ewige Glückssucher. Und glücklicher.
Wer dauerhaft glücklich sein will, wird erst recht unglücklich
Wer sich mit dem Gedanken anfreundet, dass ein Leben ohne Schattenseiten nicht machbar und nicht wünschenswert ist, tut langfristig gesehen mehr für sein Glück und den persönlichen Erfolg. Das nimmt den Druck raus, ständig und zu jeder Zeit glücklich sein zu müssen.
Verbissene Glückssucher verlieren die Fähigkeit, aus Krisen zu lernen.
Mangelnde Frustrationstoleranz ist eine schlechte Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben. Denn bei aller Sinnhaftigkeit, die Arbeit bieten sollte, werden Mitarbeiter doch immer wieder mit schwierigen Situationen und Rückschlägen konfrontiert sein, die ihnen genau das abfordern: die Bereitschaft, negative Gefühle zuzulassen und die Fähigkeit, mit ihnen umzugehen.
Psychologen erkennen in dem selbst gemachten Druck – „Ich muss es doch schaffen, glücklich zu sein!“ – eine wesentliche Ursache für viele Burnout- und Depressionsfälle. Diese Glücksfokussierung ist ungesund. Wer sich in blinder Positivität dazu verleiten lässt, schwierige und leidvolle Erlebnisse zu verdrängen und sich nicht mit ihnen auseinandersetzt, kann sich nicht im Umgang darin schulen. Persönliches Wachstum erfolgt durch die Auseinandersetzung mit schwierigen Umständen.
Unzufriedenheit als Motor zur Weiterentwicklung, Innovation und Querdenkertum
Zufriedenheit und Selbstzufriedenheit legen alle Entwicklung lahm. Scheitern und Misserfolge treiben an. Man will es anders machen, will etwas Neues versuchen, um doch noch zum Erfolg zu kommen. Viele Leistungen und Unternehmenserfolge entstehen aus schwierigen, häufig sogar aus bedrohlichen Situationen. Unzufriedenheit ist der Motor zur Weiterentwicklung.
Eine weitere unangenehme Nebenwirkung des einseitigen Strebens nach positiven Gefühlen aus Unternehmenssicht: Es kann zu gefährlich angepassten Mitarbeitern führen. Es kommt nicht selten vor, dass Fach- und Führungskräfte ihre Bedenken nicht äußern, nur um die gute Stimmung im Team nicht zu trüben.
Hinzu kommt, dass Mitarbeiter, die ständig glücklich sein wollen, unter Umständen auch überzogene Anforderungen an die Firma und ihre Vorgesetzten stellen – und dann schnell frustriert, unzufrieden und unglücklich sind, wenn diesen Anforderungen nicht entsprochen wird.
Beides ist wichtig: Optimismus und Problembewusstsein
Studienergebnisse haben gezeigt, dass reine Positivdenker ebenso wenig wie reine Negativdenker die besten Ergebnisse bei der Umsetzung anspruchsvoller Vorhaben erzielen. Erfolgreich sind jene Menschen, die zwischen positiven Zielfantasien und der Reflexion über Schwierigkeiten, die sich ihnen bei der Zielerreichung in den Weg stellen könnten, hin- und herschwingen.
Erfolgreiche Gestalter sind demnach nicht ständig gut drauf und glücksbeseelt. Sie können vielmehr zwischen positiven und weniger positiven Stimmungen wechseln. Sie steuern ihre Gefühle so, wie es der aktuellen Situation angemessen ist. Wir brauchen also neben realistischen Zielen beides zur rechten Zeit: Optimismus und Problembewusstsein.
Wichtig ist: Missstände, Unglück und die damit verbundenen schlechten Gefühle zuzulassen und zu akzeptieren. Erst danach werden realistische Gegenmaßnahmen erarbeitet und in kleinen Schritten umgesetzt. Dieser konstruktive Umgang mit schwierigen Situationen stärkt die psychische Widerstandskraft und bildet die Grundlage für Zufriedenheit.
Fazit:
Natürlich ist es nicht das Ziel, die rosa Brille durch eine schwarze einzutauschen. Empfehlenswert jedoch ist eine Brille mit Klarsicht, durch die man realistisch sieht. Dadurch relativiert sich der Umgang mit Glück automatisch – und man weiß: Einzelne Tage oder auch eine Woche mies drauf zu sein, das gehört einfach zum Pendelschlag des Lebens. Man sollte sich deshalb nicht verrückt machen.