Geld bringt den Kick – nicht das Glück
Es war der zweitgrößte Einzelgewinn in der deutschen Lottogeschichte. Mit einem Einsatz von nur 10,75 Euro knackte ein Bayer den Jackpot und gewann 31,7 Millionen Euro. Zur besseren Vorstellung: Aufgeteilt in 50-Euro-Scheine sind das mehr als 600 Kilo Geld, das bei einer Verzinsung von 2,5 Prozent 2000 Euro bringt – täglich! Hört sich toll an, oder? Aber es kann eben nur einer gewinnen – was eigentlich gar nicht so schlimm ist. Die Glücksforschung, die sich seit über 25 Jahren mit der Frage beschäftigt, was den Menschen denn nun glücklich macht, hat herausgefunden: Geld macht zwar etwas zufriedener, ist aber kein Garant für Lebensfreude. Die Grenze, bis zu der mehr Vermögen oder ein höheres Einkommen das Lebensgefühl messbar steigert, liegt knapp unter dem durchschnittlichen Jahreseinkommen des jeweiligen Landes. Sobald man nicht mehr täglich um seine Existenz bangen muss, spielt Geld beim Glücksempfinden nur noch eine untergeordnete Rolle.
Das klingt zunächst erstaunlich, liegt aber an einer menschlichen Eigenschaft, die sich in der Entwicklungsgeschichte als sehr sinnvoll erwiesen hat. Unsere Psyche ist so ausgestattet, dass wir uns Neuem relativ schnell und gut anpassen können. Und so empfindet man es nach etwa einem Jahr als normal, über ein pralles Konto zu verfügen, egal wie überwältigend der Gewinn am Anfang war. Bei den neuen Kopfhörern oder der Designer-Handtasche läuft dieser Gewöhnungsprozess noch sehr viel schneller ab. Wissenschaftler*innen sprechen von einer „hedonic treadmill“, einer Tretmühle des Glücks. Das Neue muss schnell wieder und wieder durch immer Neues ersetzt werden, damit sich der sogenannte Kick einstellt.
Genuss kommt von Innen
Letztendlich ist der Lebensgenuss weit weniger vom Konsum abhängig, als wir denken. Es ist vor allem die Art und Weise, wie wir das Leben betrachten, die über Glück oder Unglück entscheidet. Wer die Kunst beherrscht, das sprichwörtliche Glas immer als halb voll zu betrachten, den wirft so schnell nichts um. Mit einer optimistischen Einstellung und einem positiven Selbstbild genießen wir die Höhen des Lebens intensiver und nehmen die Tiefen des Alltags gelassener. Die tatsächlichen Fakten spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle.
Wie wir auf bestimmte Situationen reagieren, wird davon bestimmt, was wir in dem Moment denken und fühlen. Das klingt schlicht, ist aber, wenn wir es im Alltag umsetzten, eine revolutionäre Sache. Es heißt nämlich, dass wir nicht Spielball der Umstände sind, sondern durch unser Denken zu einem guten Teil selbst steuern können, wie wir eine Situation empfinden und mit ihr umgehen: gestresst oder gelassen, gereizt oder mit Humor. Zum Beispiel können wir auf dem Weg in den Urlaub durch ein Verfahren mit dem Auto gestresst und genervt sein – oder wir denken aktiv, dass die Umgebung hier sehr schön ist, und legen eine Pause mit einem leckeren Eis ein und fahren danach entspannt weiter.
Aktivität ist ein Motor des Glücks – Entspannung ist manchmal kontraproduktiv
Der amerikanische Psychologe David Myers hat in einer Studie herausgefunden, dass zwei Wochen Entspannungsurlaub die geistige Wachheit und damit auch die Glücksfähigkeit um etwa zwanzig Prozent verringern. Konzentrierte Aktivität dagegen mobilisiert körpereigene Glückshormone – vorausgesetzt, sie entspricht der eigenen Begabung und dem eigenen Willen. Dann bestehen gute Chancen, in einen „Flow“ zu geraten, den wunderbaren Zustand, wenn man hoch konzentriert ist und ganz und gar in einer Sache versinkt.
Selbstbestimmtes Handeln gibt Sinn
Für das Glücksempfinden ist es dabei völlig egal, ob wir in der Chefetage ein superwichtiges Strategiepapier entwickeln, im Garten eine Hortensienhecke pflanzen oder einfach „nur“ einen Kuchen backen. Ob wir unser Tun genießen können oder nicht, hängt davon ab, ob wir fremdbestimmt handeln, bzw. uns so fühlen – oder eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben, bzw. erkennen können.
Das kann man auch an Körperreaktionen ablesen: Wenn wir auf Grund äußerer Zwänge widerwillig Überstunden ableisten, wirkt sich das langfristig negativ auf unser Hormon- und Immunsystem aus. Wenn wir aber länger arbeiten, weil wir an unser Projekt glauben, empfinden wir den Extraeinsatz als selbstbestimmt, unser Tun als sinnvoll – das beflügelt und motiviert. „Wer Sinn erfährt, ist automatisch glücklich“, fasst der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid diese Erkenntnis kurz zusammen.
Glück ist nicht von Belohnung abhängig
In solchen Situationen ist unser Glück deutlich weniger als sonst von Lob und Belohnung durch andere abhängig. Deshalb tut es auch so gut, wenn wir bei den großen und kleinen Entscheidungen des Lebens in uns hineinhorchen und dann unbeeindruckt von dem, was „die anderen“ sagen oder denken, genau das tun, was uns wirklich ein Bedürfnis ist oder sinnvoll erscheint. Das kann dazu führen, dass man bei herrlichem Sonnenschein einfach im Bett liegen bleibt und einen Krimi durchschmökert, anstatt den obligatorischen Ausflug ins Grüne zu machen. Oder an einem Sonntag ein neues Konzept entwickelt, weil die Gedanken dafür reif sind – am Schreibtisch oder daheim auf der Terrasse.
Die kleinen Glücksmomente im Alltag entstehen nicht zuletzt durch die Fähigkeit, günstige Gelegenheiten zu erkennen und spontan zu ergreifen. So kann ein konzentriertes, mit Humor gewürztes Arbeitsgespräch mit einer Kollegin ein durchaus beglückender Moment sein, den wir aber sonst gar nicht bewusst als solchen wahrnehmen würden. Und möglicherweise kommen wir von einem Sonntagsverkauf mit viel besserer Laune nach Hause, als wir vorher gedacht hätten. Denn gemeinsam mit anderen etwas anzupacken, mag schweißtreibend sein, es ist aber – meistens – ein erfüllendes soziales und kommunikatives Erlebnis.
„Genuss ist das Signal, dass der Organismus bekommt, was er braucht“, beschreibt der Wissenschaftsjournalist Stefan Klein. Die Gunst der Stunde voll auszukosten und den Moment zu genießen ist wichtig. Denn für unser Glück brauchen wir diese Momente, die uns unvergessen durchs Leben begleiten können.