Ferienzeit
Es sind Sommerferien. Wenn wir zurückschauen und an unsere Kindheit und Jugend denken, denken wir gerne an die Zeit während der Sommerferien – als wir Zeit im Überfluss hatten. Und sie verschwendet haben. Und vor allem denken wir gerne daran, wie gut sich diese Verschwendung angefühlt hat.
Oftmals hatten wir damals Jahr für Jahr einen langen freien Sommer. Keine Schule, oftmals kein Geld für große Fernreisen, teilweise Eltern, die arbeiten mussten. Und wir hatten nichts zu tun. Außer uns nach Herzenslust zu langweilen.
Wir langweilten uns morgens im Bett, auf dem Balkon, im Garten, im Park. So ausgiebig, bis wir uns aufrafften und mit dem Fahrrad in die Bücherei fuhren, wo wir uns Bücher ausliehen, die wir in jeweils einem Tag auslasen. Wir können uns an dicke Wälzer erinnern, in deren Abenteuer wir eingetaucht sind, waren tagelang in unserer Fantasie und für unser Umfeld nicht erreichbar.
Wir fuhren ins Freibad, wo wir uns Eintritt verschafften zu einer riesigen Rasenfläche sowie dem Geruch von Chlor, Pommes, Würstchen, Weingummi, Sonnencreme und weichem Teer. Und den Hintergrundgeräuschen aus Gekreische, Wasserplatschen, blechernen Lautsprecher-Durchsagen, Sommerwind und Gelächter. Schon der Gedanke an diese Duft- und Geräusch-Kulisse führt unmittelbar zur Entspannung und dem Gefühl eines leichten Sonnenbrands auf dem Rücken.
Am Ende eines solchen Freibadtages waren wir von der Hitze weichgekocht, sauber geduscht, erholt und ausgeruht und konnten den Tag anschließend mit ein paar Freundinnen und Freunden ausklingen lassen. Abends legten wir uns tiefenentspannt ins Bett – in der Gewissheit, dass noch eine unendliche Kette an Tagen vor uns lag, an denen wir keinerlei Verpflichtungen hatten. Und keinen Plan. Was für eine Freiheit.
Und heute?
Heute haben wir uns so sehr an das Reisen gewöhnt, dass vor den Ferien die Frage „Fahrt ihr weg?“ durch die Frage „Wohin fahrt ihr?“ ersetzt wurde. Reisen ist für viele Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Immer steht etwas Besonderes auf dem Programm. Langeweile kommt da selten auf.
Oftmals denken wir heute, dass wir unsere Urlaube möglichst frühzeitig und sinnvoll planen müssen, um auf gar keinen Fall die freie Zeit zu „verschwenden“. Und vergessen dabei, dass genau das der Sinn von Ferien ist: Wir sollen in den Tag hineinleben, unsere Tage verschwenden. Wir sollen nichts machen. Unsere Ruhe haben. Herumliegen. So lange, bis wir Lust haben wieder aufzustehen.
Wenn wir unsere Einstellung zum Urlaub ändern, können wir die Auszeit vom Arbeitsalltag überall genießen – auch zu Hause. Wenn wir nicht nur das Gewohnte im Altbekannten sehen, sondern die darin enthaltenen Möglichkeiten entdecken. Dann kann unser Urlaub wieder werden wie zu Schulzeiten.