Mal wollen wir Emotionen, mal sehnen wir uns nach Sachlichkeit
Wenn es um die Gestaltung von Verkaufsflächen geht oder die Entwicklung von Marketingaktionen, sind Emotionen das zentrale Thema und Ziel. Bei der nüchternen Strategieplanung, bei Vertragsverhandlungen und Kritikgesprächen empfinden wir Emotionen hingegen häufig als hinderlich und wünschen uns mehr Sachlichkeit. Aussagen wie: „Was sind Sie wieder emotional heute.“ werden selten als Kompliment verstanden. Vielmehr gelten Menschen, die analytisch und sachlich vorgehen, als besonnen und überlegen, weil sie sich augenscheinlich nicht von Impulsen überkommen lassen, sondern nach intelligenten und logischen Lösungen suchen.
Tatsächlich gibt es Prozesse, Strukturen und Analysen bei denen eine sachliche, das heißt verstandsgesteuerte Vorgehensweise nützlich ist. Emotionen spielen jedoch immer eine Rolle, sobald in irgendeiner Form Menschen betroffen und einbezogen sind.
Die Personaleinsatzplanung ist zum Beispiel ein Prozess, bei dem Zahlen, Daten und Fakten ebenso eine Rolle spielen wie die Emotionen des Planenden und der betroffenen Mitarbeiter. Sachliche Grundlage der Planung sind Aspekte wie das zu erwartende Arbeitsaufkommen und die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen. Emotionale Aspekte, die einen Einfluss auf die Planung haben sind beispielsweise Bedürfnisse und Sorgen der Mitarbeiter sowie das Bedürfnis des Planenden, es allen Mitarbeitern Recht zu machen. Hier gilt es, im Rahmen der Entscheidungsfindung ein gutes Maß zwischen sachlich und emotional getriebenen Aspekten zu finden. Die Gefühle in diesem Fall in den Vordergrund zu stellen, könnte schwerwiegende Folgen wie Unter- oder Überbesetzung oder den übermäßigen Aufbau von Plus- und Minusstunden nach sich ziehen. Die Emotionen komplett außen vor zu lassen, ist illusorisch und ebenfalls nicht im Interesse des Unternehmens.
All unser Verhalten ist emotional geprägt
Schließlich wissen wir aus der neurowissenschaftlichen Forschung mittlerweile, dass jedes Verhalten emotional geprägt ist. Unser Verstand ist die Institution, mit der wir bewusst reflektieren und gegeneinander abwägen können, welches Gefühl gerade Vorrang bekommen sollte. Es gilt der Grundsatz: der Verstand folgt der Emotion. Was uns emotional nicht bewegt, bekommt auch keine Aufmerksamkeit des Bewusstseins.
Unsere emotionalen Erfahrungen formen unsere Persönlichkeit
Wer an das rein Vernunftorientierte, also den homo oeconomicus glaubt, dem zeigen die neurowissenschaftlichen Studien und die experimentellen Ergebnisse aus der Psychologie sehr deutlich, welchem Irrglauben wir Menschen da seit vielen Jahrzehnten aufsitzen.
Die Studien machen deutlich: Wir Menschen wollen gesehen werden, dazugehören, unseren Beitrag leisten können, wertgeschätzt werden, uns in einem richtigen Verhältnis von Geben und Nehmen fühlen, Respekt spüren usw. Wir sind also vermutlich eher ein homo cooperativus und damit stark emotionsgesteuert.
Unsere emotionalen Erfahrungen formen unsere Persönlichkeit in einem permanenten Prozess. Unsere Bedürfnisse, Wünsche, Ängste, Sorgen, Erwartungen, Missverständnisse, Erfahrungen bilden sich in unserem Gehirn als emotionale Muster aus, die in Zusammenarbeit wirksam werden. Unternehmen sind geprägt von den Persönlichkeiten der dort arbeitenden Menschen und entwickeln ähnlich wie diese eigene emotionale Muster und Persönlichkeitsmerkmale. Prozesse und Strukturen im Unternehmen sind eine Folge dieser Muster.
Emotionen haben einen erheblichen Einfluss auf Kosten und Erträge
Diese emotionalen, irrationalen Themen sind komplex, individuell, überraschend und kaum steuerbar. Und sie nehmen sich Raum. Studien haben ergeben:
In Dienstleistungsunternehmen sind ca. 25 % des Umsatzes von der Art und Weise der Kommunikation abhängig.
Im Dienstleistungs- und Produktionsumfeld sind Produktionssteigerungen in Höhe von 20 bis 25 % durch vertrauensbildende Maßnahmen zu beobachten.
10 bis 15 % der Arbeitszeit in jedem Unternehmen werden für Konfliktbewältigung verbraucht.
30 bis 50 % der Arbeitszeit von Führungskräften wird direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten und Konfliktfolgen verbracht.
Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass 20 bis 25 % der Gesamtkosten in Unternehmen Konfliktkosten sind.
Darin steckt ein außerordentliches Verbesserungspotenzial für Unternehmen, auch wenn der Erfolg oftmals erst mit Verzögerung zu messen ist. Die genannten Kosten äußern sich an vielfältigen Stellen wie
- Mitarbeiterfluktuation und damit Ausgaben für Rekrutierung, Effizienzverlust durch Einarbeitung bzw. Know-how-Verlust usw.
- Krankheit und damit verbundene Ausfallzeiten
- Kontraproduktives Verhalten, wie z. B. vermeidbare Diskussionen, Ablenkung, Dienst nach Vorschrift, betriebsschädigendes Verhalten
- Besetzungsschwierigkeiten bei offenen Stellen auf Grund der Reputation am Bewerbermarkt
- Gescheiterte oder verschleppte Projekte und damit verbundene Mehraufwände und Verzögerungen
Emotionen Raum zu geben bedeutet einen enormen Wettbewerbsvorteil
Inzwischen ist unumstritten, dass zufriedene Menschen in Unternehmen engagierter, kreativer, produktiver und loyaler sind, schneller lernen und besser Entscheidungen für das Unternehmen treffen. Lebendige Unternehmen lassen Emotionen zu, und zwar nicht nur im Marketing, sondern auch in strategischen Überlegungen und zahlenbasierten Prozessen. Emotionen Raum zu geben und mit ihnen umzugehen ist anspruchsvoll, aber lohnenswert und bedeutet einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Denn sie binden sowohl Mitarbeiter, als auch Kunden an das Unternehmen.
Hier schließen sich wirtschaftlicher und unternehmerischer Erfolg und Menschlichkeit im Sinne von Emotionalität nicht aus, sondern verstärken einander. Hier sorgen Emotionen für Klarheit in schwierigen Situationen, für Identifikation mit gemeinsamen Zielen – und sie sorgen auch für Begeisterung, Leidenschaft und Engagement. Gekoppelt mit klugen Analysen, klaren Strukturen, effizienten Abläufen, verständlichen Kennzahlen und betriebswirtschaftlichem Knowhow lässt sich so echte Wertschöpfung betreiben.