Der Wunsch nach Weisheit
Als Lisa Cramer Managerin eines Unternehmens wurde, las sie kurz vorher eine Geschichte: Ein Mann spazierte am Strand entlang und fand eine Flasche. Als sie sie öffnete, erschien ein Flaschengeist und bot an, ihr einen Wunsch zu erfüllen, wenn sie ihm die Freiheit schenkte. Erfolg, Ruhm oder ein langes, gesundes Leben. Lisa Cramer entschied sich für etwas, von dem sie wusste, dass es ihr helfen würde, ihre Mitarbeitenden auf gutem Wege zu führen: Weisheit.
Es ist leider so, dass eine gute Ausbildung Menschen nicht automatisch auch weise macht. Das reine Lesen und Hören von weisen und klugen Statements führt nicht selbstverständlich zum Transfer in den Alltag. Da fehlt doch noch was…
Was bedeutet eigentlich Weisheit?
Viele Menschen setzten Weisheit oftmals mit Intelligenz gleich, aber bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass intelligent und weise sein sehr unterschiedliche Dinge sind. Die Welt ist voller brillanter Menschen, die intellektuelle Diskurse entfachen, ohne wirklich den Kern der Dinge verstanden zu haben.
Weisheit impliziert mehr als nur die Fähigkeit, Informationen in eine logische Kette zu bringen. Wissen wird zu Weisheit, wenn wir die Fähigkeit haben, dieses Wissen zu nutzen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Weisheit meint per Definition ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren. Mit wachsender Weisheit entsteht die Fähigkeit, Themen oder Ereignisse in einen größeren Zusammenhang einordnen und aus einer erweiterten Perspektive betrachten zu können.
So erlebt ein Schüler die Note seines Abschlusszeugnisses als sehr bedeutungsvoll, was sich jedoch meist im Laufe des Berufslebens relativiert. Erziehungs- und Ernährungsfragen erleben frisch gebackene Eltern in der Regel als große Herausforderung. Mit zunehmender Erfahrung in der Elternrolle verändert sich deren Bedeutung und Tragweite. Ebenso kann ein Fehler des Partners oder ein Streit zu einem bestimmten Thema, in einer Beziehung, die noch jung ist, die gesamte Beziehung in Frage stellen – nach 20 Jahren Ehe jedoch als nichtig erscheinen.
Mit wachsender Lebenserfahrung erleben wir, dass sich Dinge relativieren. Warum? Der Grund ist, dass wir sie in einem größeren Zusammenhang betrachten und nicht nur einen kleinen Ausschnitt fokussieren. Weisheit bedeutet genau das: Themen oder Situationen in diesem größeren Gesamtkontext zu betrachten und viele Aspekte einzubeziehen, um auf dieser Basis fundierte Entscheidungen zu treffen. Weise Menschen denken nicht nur in schwarz und weiß. Sie sehen die unterschiedlichen Grautöne. Sie hängen Fehler beispielsweise in der Regel nicht so „hoch“ auf, da sie diese in einem größeren Zusammenhang betrachten und damit relativieren. Sie wissen aber auch, wann Fehler „hoch“ aufgehangen werden müssen, um Menschen für ein Thema zu sensibilisieren.
Wie können wir es beschleunigen, Weisheit zu erwerben?
- Weisheit wächst durch Erfahrung, durch das Lernen mit Herausforderungen und Dilemmata umzugehen, die das Leben mit sich bringt. Rückschläge sind dabei immer Wachstumserfahrungen, die dazu beitragen, ein tiefergehendes Verständnis für die Unbeständigkeit des Lebens zu erlangen. Das Überwinden schwieriger Situationen – ob im Privat- oder Berufsleben – trägt zu einer erhöhten Wertschätzung des Lebens bei und zum Erkennen von neuen Möglichkeiten.
- Weisheit wächst durch Selbstreflexion. Leider wächst Weisheit nicht automatisch mit fortschreitendem Alter. Obwohl ältere Menschen kompetenter sein können als Jüngere, gibt es viele, die ihre Lebenserfahrung nie reflektieren und somit in keinen Nutzen überführen. Um eine gute Reflexionsfähigkeit zu erlangen, kann es hilfreich sein, andere Menschen einzubeziehen, die dabei unterstützen, sich durch Herausforderungen zu arbeiten und eine gute Selbstregulation und Achtsamkeit zu erreichen.
- Weisheit wächst durch Perspektivenvielfalt. Die eigene Komfortzone zu verlassen und sich mit Menschen auszutauschen, die anders sind als wir selbst, führt zu einer Vielfalt an Perspektiven. Das macht bescheiden und schärft das Bewusstsein für die eigenen Grenzen. Und der Austausch mit anderen oder das Lesen über die Erfahrungen anderer fördert die Integration derer Erfahrungen in das eigene Spektrum und kann im Umgang mit eigenen anstehenden Herausforderungen eine Bereicherung sein.
- Weisheit wächst durch das Lernen aus Fehlern. Fehler sind ärgerlich, aber wichtig. Über Fehler, die wir aus Flüchtigkeit, Unaufmerksamkeit oder Hektik machen, können wir uns kurz ärgern. Die Lösung hierfür ist, konzentrierter zu arbeiten. Anders sind jedoch Fehler zu betrachten, die aufgrund von fehlendem Wissen oder fehlender Erfahrung entstehen. Diese Fehler sind nicht vermeidbar! Denn Weisheit wächst nur durch Erfahrung und kann nicht gelehrt werden. Wir müssen erst einige Konzepte erarbeiten und präsentieren, einige neue Produkte entwickeln und Beratungsgespräche mit Kunden führen, um einen Erfahrungshorizont zu erlangen. Nur wenn wir uns selbst erlauben, Experimente zu machen, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen, kann Weisheit wachsen.
Was für ein Glück, wenn Lisa Cramer das alles vom Flaschengeist geschenkt bekommt.
Wir freuen uns, wenn Sie unseren Blog teilen und damit jemanden zur Reflexion und Perspektivenvielfalt einladen!