Ein Blick in ein typisches Team
Im Meeting war das Team, in dem Martin arbeitet, sich schnell einig über die Lage der Firma. Eigentlich sind sie ja als Team sehr gut aufgestellt. Das hat Dirk, der Chef, eingangs gesagt, und alle haben stumm genickt. Nur ein paar Kennzahlen sind leider unschön. Ein Konzept musste her, um für die Kunden einen Mehrwert zu schaffen. Bei der Diskussion spielte einer dem anderen die Bälle zu. Sogar die üblichen Kritiker hielten sich zurück und waren guter Stimmung. Alle waren sehr zuversichtlich, dass das erarbeitete Konzept erfolgreich sein würde.
Einige Wochen später ist das so euphorisch verabschiedete Konzept überall durchgefallen, im Controlling wie in der Marktforschung: Zu groß der Aufwand, am Ende will niemand für den neuen Service extra Geld ausgeben. Warum haben wir das nicht gesehen? Wir alle, im Team?
Weil – wenn wir der Wirklichkeit ins Gesicht schauen – pure Harmonie schläfrig macht. Und weil Teams oft schlechtere Ergebnisse produzieren als brillante Köpfe, die sich mit eigensinnigen, ungewöhnlichen Vorschlägen entfalten dürfen. Man lässt sie nur so selten. Denn Teamarbeit ist längst zum Standard in der Arbeitswelt geworden.
Hauptsache teamfähig?! – Teams neigen zum Gleichmachen
In jedem Unternehmen haben wir es mit Teams zu tun. Wer einen Job will, kann alle möglichen Vorzüge haben, Hauptsache, er oder sie ist auch „teamfähig“ – die Mutter aller Schlüsselqualifikationen. Der Begriff Teamfähigkeit taucht in jeder fünften Stellenanzeige auf, haben Jobportale gezählt.
Natürlich ist das wichtig. Jedoch wird Teams oft mehr Weisheit zugeschrieben als der Summe ihrer Teile. Oft ist von „Schwarmintelligenz“ die Rede. Selten wird jedoch von den Schattenseiten der Teamarbeit geredet – davon, wie sich irrationale Reaktionen in der Gruppe verstärken können. Oder davon, dass sie zum Gleichmachen neigen, weil sie stets den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen.
Teamfähigkeit bedeutet teilweise auch Leidensfähigkeit. Von 40 Wochenstunden verbringen die Mitarbeitenden internationaler Konzerne im Schnitt 21 Stunden in Meetings. Dabei schreiben sie allerdings oft nebenbei E-Mails. Einer der negativen Nebeneffekte von Teamarbeit ist: Einzelne können sich komplett zurückziehen, ohne dass es gleich jeder merkt. In einem Team ist es leicht, sich in der Gruppe zu verstecken und persönlich keine Verantwortung zu übernehmen.
Viele hängen sich an die „Leitwölfe“, statt eigene Ansätze zu entwickeln oder die Thesen der Gruppe zu hinterfragen. Dann verläuft das Gespräch – provokant formuliert – vielfach nach dem Schema: Es wurde schon alles gesagt, aber jeder soll es nochmal in seinen eigenen Worten wiederholen. Falls doch mal jemand mit eigenen Ideen ausschert, wird oftmals von der Führungskraft – gewollt oder ungewollt – signalisiert, dass man nicht alles Gesagte über den Haufen werden sollte.
„Groupthink“ – Gruppen glauben manchmal, ihre Sichtweise sei die einzig richtige
Der Psychologe Irving Lester Janis machte in den Siebzigerjahren den Begriff „Groupthink“ populär. Im schlimmsten Fall, so Janis, führe Gruppendenken dazu, dass sich Gruppen unverwundbar fühlen und glauben, ihre Sichtweise sei die einzig richtige. Dies führt dazu, dass sie kaum noch etwas kritisch hinterfragen. Auf Kritik von außen wird dann mit Unverständnis reagiert, auf Kritik von innen stellenweise mit sozialem Druck auf die Skeptiker. Durch diese vermeintliche Gruppenkonformität entsteht das Gefühl, dass Entscheidungen einstimmig gefallen sind.
Später beschrieb Janis, wie man die Gefahren des „Groupthink“ verringern könne – denn diese stellen sich natürlich nicht zwangsläufig ein. Zu guten Ergebnissen führt Teamarbeit demnach, wenn gesichert ist, dass man Ziele offen formuliert, Alternativen vollständig in die Überlegungen einbezieht und störende Informationen nicht einfach ausblendet, d.h. wenn zugleich auch die Risiken bevorzugter Lösungen durchdacht und berücksichtigt werden.
Janis empfahl, mindestens einem Teammitglied die Rolle des „Advocatus Diaboli“ zuzuweisen, mit dem Auftrag, alle Vorschläge prinzipiell zu kritisieren – als Absicherung gegen vorschnelle Begeisterung und Betriebsblindheit.
Als Führungskraft oder Teamleiter ist es wichtig, die Beteiligten zu Kritik zu ermuntern und auf keinen Fall zu früh die eigenen Präferenzen zu äußern, denn das ist gefährlich. Wenn Führungskräfte oder Teamleiter bereits mit ihren eigenen Ideen in ein Meeting einsteigen, manipulieren sie die Beteiligten mit ihrer vorgefertigten Meinung: „Schön, dass wir so schnell Einigkeit herstellen konnten.“ Dann nicken alle stumm.
Verschiedene Perspektiven wirksam nutzen – im Team und mit Außenstehenden
Interessant ist, dass Wahlen immer am besten funktionieren, wenn sie geheim stattfinden. Diese Vorgehensweise ermöglicht es überhaupt erst, ehrliche Vorlieben zu entwickeln, ohne fürchten zu müssen, dass die Nachbarn sie kritisieren.
Was das bedeutet, lässt sich an einer der beliebtesten Teamaufgaben zeigen: dem Brainstorming. Selbstverständlich ist es erst einmal gut, viele Kollegen zu fragen, wenn man viele Ideen braucht. Doch auch hier bewirkt oft die Gruppendynamik menschlichen Harmoniestrebens, dass sich am Ende alle Ideen ähneln. Mit einem digitalen Brainstorming kann man das verhindern. Ohne Spezialsoftware – es genügt, wenn alle Teammitglieder unabhängig voneinander ihre Vorschläge per E-Mail an ihre Führungskraft bzw. ihren Teamleiter schicken. Wenn sie dies allein und unabhängig tun, werden die meisten sozialen Effekte minimiert.
In diesem Sinne kann es unterschützend sein, wenn jedes Teammitglied Zwischenergebnisse auch mit Außenstehenden bzw. Kollegen in Schnittstellen diskutiert und deren Reaktionen ins Team zurückmeldet. Ebenso kann die Befragung von Kunden hilfreich sein. Zu einzelnen Teamtreffen können auch externe Experten eingeladen werden, um zusätzliche Perspektiven zu bekommen. Genug Zeit sollte auch der kritischen Analyse ähnlicher Ideen eingeräumt werden, die Mitbewerber möglicherweise bereits umsetzen.
Wichtig ist die grundlegende Frage: Wo brauchen wir Teams? Und welche Aufgaben können unabhängig von einem Team eigenverantwortlich gelöst werden? Entscheidend ist, dass wir – egal ob einzeln oder im Team – immer den Austausch mit einer zweiten Person suchen, uns den zweiten Blick holen, um eine zusätzliche Perspektive zu bekommen, Betriebsblindheit vorzubeugen und damit unsere Arbeitsqualität zu steigern.
Wer also Teamarbeit nicht „pauschal“ einsetzt, sondern bewusst die verschiedenen Perspektiven der Menschen und die Fähigkeiten der Gruppe nutzt, schafft mehr Wertschöpfung.
Wir von Schüller& arbeiten aktiv daran, Teams zu sinnvoller Teamarbeit zu befähigen und jeden Einzelnen in seinen Stärken zu stärken. Wir begleiten Teams darin, effizient zu kommunizieren, sich klare gemeinsame Ziele zu setzen und Rollen eindeutig zu definieren. Wer seine Stärken kennt und souverän einsetzt, trägt sehr viel zum gemeinsamen Ziel bei: der Wertschöpfung des Unternehmens.